Luftruinen
Und das ist für Euch drin:
Ralf Burnicki: Brief an die Anarchie
Yasmin Dreessen: Über den Dächern die Freiheit
Safiye Can: Dornröschen, Liebchen
Armin Sengbusch aka Schriftstehler: Glycerin
Felix Hetscher: der wärter
Daniel Schulz: Die Zellen
Bastian Geiken: Chancen
Alexander Schnickmann: keine Augen mehr
Clemens Schittko: Werbung für die Hauptstadt
Clemens Schittko: E-Mail-Gedicht für den BND
Andi Substanz: Angriff der Träumer
Herbert Beesten: Mooooooond
Herbert Beesten: versprochen
Ingeborg Denner: Hauskatzen
Melanie Kalb: Trümmer und Borkengräser
Thomas Glatz: Die Reißlinie gezogen
Isabel Lipthay: Zweifellos
HEL: Der Irak das war ein landstrich
Kaum Jemand: Galaxienkollision
Jonis Hartmann: Zerlegebetrieb
Lieber Jule: In 7 Tagen – Variante 2
Lisa Tschorn: Mein Freund Slava
pedro leum: 14
Marian Heuser: Kartenhäuser bauen
Ní Gudix: Chakka! Du schaffst es!
Tobias Kunze: Die Angst von Bern
Dima Freitag: Jackpot, Jackpot – 3x Bar?
Mika Reckinnen: Am Automat
Achim Leufker: Kann mir bitte jemand mal das Wasser reichen?!
Claudia Ratering: Vollnarkose
Robert Martschinke: Der Quartalsirre
Safiye Can: WG-Einkäufe
Ní Gudix: Hohn
Alexander Schnickmann: Kaufhausdepression
Knobi: Des Trinkers Heilstätte – Das Schwarzbuch Kreuzberg…
Thomas Glatz: Der Stift, mit dem ich schreibe
Jörg Siegert: Sub City Blues
Björn Reinhardt: Abschied
Sybille Lengauer: Dunkel
Martin Schlathölter aka Hans Vogel: Und es war Licht! (Eine Ode an die Sonne)
Winterausgabe 2014/’15 erschienen!:-)
Die Nummer 14 der „luftruinen. flugschriften der freigeistkultur“ ist endlich erschienen und kann entweder über meine Postanschrift, per SMS oder per Mail bestellt werden.
Seid Ihr euphorisch emanzipatorisch? Sinnlich subversiv? Gut: Das unabhängige Literaturmagazin „luftruinen. flugschriften für freigeistkultur“, seit 2008 aktiv, sucht ab sofort eigenwillige und einzigartige Autor/inn/en und Illustrator/inn/en, die uns kreativ und kontinuierlich bereichern. Leider ohne Verdienstmöglichkeit, außer um die Kultur natürlich. Bitte schickt Text- und Bildbeiträge, nämlich: Lyrik, Essays, Erzählungen, Satiren, Cartoons, Comics, Zeichnungen, Fotos u.ä., an: Jörg Siegert, luftruinen@gmx.net
Weitere Infos: http://luftruinen.blogsport.de
Bis die Tage,
mensch liest sich,
Jörg Siegert
(PS: Der Herausgeber hat keinen eigenen Internetzugang und bittet daher um Geduld.)
luftruinen ist umgezogen
Die Redaktionsanschrift der „luftruinen. flugschriften für freigeistkultur“ lautet in der analogen Welt ab sofort:
Hammer Straße 175, 48153 Münster.
Wort-Bruch
Etwas verspätet ein „Aphorismus“ zur fünften Jahreszeit:
Facebook ist Karneval à la digital: Man versteckt sich hinter Masken, vergißt jede Distanz und Hemmung, übergibt sich in der Öffentlichkeit und hat mitunter hernach Kopfschmerzen.
Jörg Siegert
Wort-Bruch
Der Papst ist ein Kardinalfehler.
Jörg Siegert
Und das ist in der Ausgabe enthalten…
anja neuland: schweigen
Isabel Lipthay: Wo bist du, Federico?
jörg kleemann: WARTERAUM der unbefugten
Ingeborg Denner: Jerry
Achim Leufker: Hormonische Beziehungen enden, weil sie nicht begonnen haben
Jörg Siegert: Postmoderne Liebeslyrik
thomas glatz: fonte santa
Ní Gudix: Das falsche Leben im richtigen – Über die fehlende Menschlichkeit in der Sub-Szene
Alexander Schnickmann: Altersheim
Herbert Beesten: Ich will Kurz-Leben!
Marian Heuser: Die Verwechslung
Christian F.: Ich verschwinde
Sybille Lengauer: Das Erwachen
Das Heft, 32 Seiten, kann für 1,50 Euro bei Jörg Siegert, Graelstr. 45, 48153 Münster bzw über luftruinen(at)gmx.net bestellt werden. Viel Leckerbissigkeit bei der Lektüre!
Luftruinen am 1.3.’13 erschienen
Liebe Leserinnen und Leser!
„Die Franzosen haben Timbutku erreicht, und ich habe es noch nicht einmal zu REWE geschafft.“ (ein Kunde in der Altenpflege)
Es ist nicht mehr erwartet worden, am wenigsten vom Editorialsten daselbst, der sich andersweitig in das wütende Arbeitsleben blindstürzte, daß sich diese kleine Zeitung wieder zu Wort meldet, dafür aber gleich in kurzer Abfolge zweimalig. In dieser 13. Ausgabe melden sich 13 Autorinnen und Autoren aus der vermeintlichen Versenkung, dem Untergrund zurück, die ihresgleichen suchen, fast pünktlich zum 1.3.2013 – ein ganz besonderer Tag, wenn man mich fragen sollte. Sollte man aber nicht unbedingt. Genießt ihn wie jeden anderen auch.
Neue Autorinnen und Autoren sowie Illustratorinnen und Illustratoren sind uns immerzeitlich vollherzlichst willkommen. Wer beiträgig werden oder die Zeitschrift kennen lernen möchte, kann sich folgend an mich wenden:
Jörg Siegert, Graelstraße 45, 48153 Münster. luftruinen@gmx.net
Lest und lebt selbst! Reclaim your minds!
Mensch liest sich, euphorisch emanzipatorisch,
Jörg Siegert
Früher war das Früher anders
Früher war das Früher anders.
In den 80ern war das Früher schlechter. Noch schlechter als das Früher von heute. Das Früher von heute meint schlimmstenfalls peinliche Schlagermusik, die man Neue Deutsche Welle nennt. Das Früher von früher meint Marschmusik. Als man noch nen Führer hatte, im Früher von früher. Da sprach man vom Dritten Reich. Heute sind die Ewiggestrigen schon froh, wenn’s für die Dritten reicht. Im Früher von heute waren die Renten sicher. Im Früher von früher fühlten sich die Rentner von früher sicherer.
Heute sind diejenigen, die im Früher von heute gegen die Ewiggestrigen von früher auf die Straße gingen, angeblich die Ewiggestrigen. Die am Althergebrachten festhalten. An so nem Quatsch wie Sozialstaat und Gerechtigkeit.
Früher war das Früher noch früher. Auch für die Spätgeborenen, die mit der Gnade Ausgestatteten, wie den Großen Aussitzenden, den man Birne nannte, obwohl ihm nie ein Licht aufging. Lag vielleicht an der Frau Gemahlin. Oder an den schwarzen Koffern.
Früher war die Biene Maja noch eine nervtötende, weil altkluge Insektin und die Tigerente ein harmloses Mitziehvieh im schönen Panama. Nicht im echten von Noriega, der Narbenkappe. Heute stehen die Phantasiefiguren für einfallslose koalitionäre Farbspiele. So ne inflationäre Infantilisierung wäre bei den beiden Helmuts nicht möglich gewesen. Früher.
In den 80ern gab es viel Früher, aber keine Zukunft. Heute gibt es eine, aber eine miese. Ohne Alternative, wie es heißt. Seit den 90ern. Hatte damals schon die „Iron Lady“, Maggie Thatcher, angekündigt. Früher dachte ich, sie wäre in dem Song von Bob Dylan gemeint. „We ain’t gonna work on Maggie’s farm no more…“ Aber den gab’s ja noch früher. Und auch der Abkanzelbunker Schmidt mischte da mit. Da durfte noch geraucht werden. Im TV. Früher.
Es gab in den 80ern eine Partei, die nannten sich „die Alternativen“. Die Alternativen sind gealtert und naiv. Sie waren früher auch nicht besser. Können sich nur schlechter daran erinnern. Die Partei gibt es übrigens immer noch. Nur unter anderem Namen. Nennen sich jetzt Jäger 90 oder so. Früher gab’s den Starfighter. Da stürzten mehr als 200 von ab. Auch ne Art von Abrüstung. Naja. Die Jägerpartei sagt heute, es gäbe keine Alternative zu Krieg und Kapitalismus. Und basht eine andere Partei, die sich links nennt, nur unter anderem Namen, aber genau dasselbe zum Programm erhebt wie „die Alternativen“ von früher. Legalisierung von Hasch, Verstaatlichung der Energiekonzerne, Abschaffung von Bundeswehr und NATO. Nicht nur der Starfighter per se. Gab’s schon mal. War nicht alles schlecht. Die Jägerpartei basht die Arbeiter- und Bauernpartei auch, weil letztere glaubt, dass das andere Früher nicht schlechter war als unser Früher. Angeblich ging es vielen besser im schlechteren Früher. Da musste man nicht Schlange stehen. Weil es nichts gab, wofür es sich lohnte. Früher.
Ich erinnere mich, dass ich damals, im unseren Früher, ein Buch mit dem Titel „Überlebenslesebuch“ gekauft habe, in dem nach der jeweils expliziten Apokalypsedrohung Aktionstips anhängten. Gäbe es kein Morgen, gäbe es noch ein Früher? Früher gab es kein Morgen. Man brauchte sich keine unnötigen Zukunftspläne machen, weil es keine Zukunft gab. Aber nen Verlag namens „pläne“. Bausparpläne waren, wenn nicht für nen Atombunker, oder Aktien waren, wenn nicht für die Alufolie, die man sich im Falle eines Fall-outs übern Kopf ziehen müsste, absolut nicht sinnergebend.
Ja, „no future“ war unter diesen Umständen quasi eine geradezu optimistische Aussage. Das sagten dann die unverbesserlichen Weltverschlechterer unter uns. Dann hatte man es wenigstens hinter sich. Und nun? Die 80er sind längst vorbei, und ich lebe immer noch. Darauf war ich nicht vorbereitet. Wollte eh nur 30 werden, weil man mich immer mit Jesus verglich. Wegen der langen Haare und des Barts. Der Witz hatte auch so nen. Und zumindest bezüglich der Lebenserwartung – müsste es nicht heißen: Todeserwartung? Oder zumindest: Lebenshoffnung? – wollte ich gleichziehen können. Früher. Jetzt bin ich über 40. Was würde Jesus da tun?
In den 80ern war es immer 5 vor 12. Da hatte man noch richtige Ängste. Vor richtigen Gefahren. Nicht so was Diffuses wie Schweinegrippe. Ha! Schweinegrippe. Ich bitte Euch.
Atomare Bedrohung (da sprach man sogar noch vom „nuklearen Holocaust“)? Wettrüsten? (Wer hat eigentlich noch mal verloren? Wie hoch war der Einsatz? Wer hat den Spielverlauf beeinflusst? Wer war Schiedsrichter, Unparteiischer?) – 5 vor 12! Waldsterben? – 5 vor 12! Flussvergiftung? Vergiftung der Weltmeere? Atommüllverklappung? Robbenseuche? – 5 vor 12! Bhopal, Tschernobyl, … – 5 vor 12!
Egal, welche Uhrzeit wirklich war, man brauchte niemanden zu fragen, wie spät es ist. Man wusste immer: zu spät. Und heute redet trotz Finanzkrise, trotz Regierungskrise, trotz Klimakatastrophe, trotz Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, trotz Bohlen und Bin Laden keiner mehr von der Uhrzeit, die in den 80ern diese kleinen Swatchdinger überflüssig machen konnte. 5 vor 12? Vergiss es. Vielleicht haben die Apokalypseapologeten auch zu häufig eins auf die 12 bekommen, dass sie nun 5 gerade sein lassen.
Und das Jahr stand auch fest: Es war immer 1984. „Big brother is watching you.“ Damals kein Unterschichtenfernsehen, sondern Endzeitdystopie. Volkszählung, Rasterfahndung – da war noch was los gegen den Überwachungsstaat. Heute gibt es Lidl, Google und Facebook. Und in den Containern waren früher sogenannte Gastarbeiter. Wirkliche Menschen mit wirklichen Problemen. Keine arschgeweihten und hirngepiercten Prekariatspromis.
Früher war der Frühling stumm, der Herbst war heiß. Der Sommer war eine Erfindung von Rudi Carrell und der Winter nuklear.
Gäbe es eine Zeitmaschine, flöge oder führe ich mit ihr in die 80er. Wie Michael J. Fox. Der aber in die 50er. Der beste Dialog in seinem Früher von früher war noch: „Wer ist denn dann Präsident?“ (also im Heute von früher, also im Früher von heute) – „Ronald Reagan.“ – „Und John Wayne ist Verteidigungsminister?“ Ich flöge oder führe aber nicht wegen der arabischen Terroristen zurück. Und nicht wegen der Wale. Nicht etwa wegen Nostalgie oder so was. Sondern um für das sozialverträgliche Frühableben von Joseph Fischer, Claudia Roth und Dieter Bohlen zu sorgen. Dann wäre ich mittlerweile wieder frei. Wegen mildernder Umstände. Weil der Fischer und die Roth damals ja noch auf unserer Seite des Bauzauns standen. Also auf der mehrheitsgesellschaftlich betrachtet falschen. Und Bin Laden stand auf der richtigen Seite. „Rambo III“ ist den mutigen Volksmujaheddin gewidmet. Der Abspann wird heute nicht mehr gezeigt. Aber der Streifen wurde von der FSK mit dem Prädikat: wertvoll ausgezeichnet – „wegen der märchenhaften Züge“.
Früher. Ach ja. Hör mir doch auf.
Jörg Siegert
veröffentlicht in der Luftruinen-Ausgabe 9, Sommer 2010