Irgendwo / Nirgendwo (Eine Geschichte mit Schlag)

Irgendwo da draußen schlägt ein Herz einen unregelmäßigen Rhythmus an, stockt schließlich ganz und gibt einer Seele die Möglichkeit, aus ihrer erbärmlichen Hülle zu fliehen.

Der Körper, nun leblos, ist nur noch eine leere, schlaffe Hülle, die bald die verzerrten Züge der Leichenstarre tragen wird. Trauer- und Testamentbeteiligte jammern und klagen am Sterbebett, während sie das Erbe kalkulieren und sich ausrechnen, wie viel der Trauer angemessen und würdig erscheint.

Irgendwo dort oben sitzt ein untersetzter Herr auf einer Wattewolke, lässt die Seele in sein Büro bitten und blickt in ihr tiefstes Inneres, um zu prüfen, ob sie für das Paradies hinter dem Schuppen bereit ist und auch die notwendigen Formulare korrekt ausgefüllt hat.

Irgendwo da unten wartet ein anderer Herr darauf, dass die Seele dem da oben als unwürdig erscheint, und säubert sich nebenbei gelassen seine Fingernägel mit einer scheußlichen Pieke.

Er rückt sein Hinterteil auf einem roten Samtkissen bequemer zurecht und zieht die ihm angenehm warme Temperatur von 180 Grad durch seine enormen Nasenflügel ein.

Dazwischen zischen ein paar geflügelte Kastraten hin und her und erzählen komische Dinge über Himmel und Hölle, damit sich die Herren über irgend etwas amüsieren können…

…und…

Mittendrin sitzt der Mensch in seiner Kirche, friert sich den Arsch beim Beten ab und hat vor lauter Angst die Hosen voll, weil ihm sein Arzt von steigendem Herzinfarktrisiko erzählt hat.

AMEN

Sybille Lengauer
aus: Luftruinen-Ausgabe 4, Frühling 2009, siehe Archiv