aus: „In den Siebzigern steckengeblieben“ – Kritik an der „literarischen Alternative“, von: Ní Gudix: in: Luftruinen-Ausgabe 1, Sommer 2008

„ICH bin vor zehn Jahren für die Entphrasung und Dekonditionierung der Sprache angetreten, und insofern ist nun festzuhalten, daß das ganze Märchen von der Literaturmafia und der heldenhaften ‚Alternative‘ inzwischen von vorne bis hinten aus Phrasen besteht. Tote Hülsen, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Eingerostete Seifenblasen.“

aus: „In den Siebzigern steckengeblieben“ – Kritik an der „literarischen Alternative“, von: Ní Gudix, in: Luftruinen-Ausgabe 1, Sommer 2008

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„Beim Projekt der ‚Alternative‘, beim Projekt der ‚Humanisierung der Kommunikation‘ (Hadayatullah Hübsch) geht es vor allem aber um eins: um Inhalte. Nicht um Äußerlichkeiten. Nicht um Brimborium. Wir, die kritischen Dichter, Essayisten, Dramatiker, Romanciers, Übersetzer haben die Aufgabe, die Inhalte festzuhalten und bekanntzumachen.
Dabei müssen wir vor allem an der Sprache arbeiten und so gut wie möglich ausdrücken, was ausgedrückt werden muß. Ich rede nicht von Stilen, ich rede von Essenz, von der Essenz der Sprachbeherrschung. Wir Schriftsteller sind Handwerker, und so wie es gute und schludrige Handwerker gibt, gibt es auch gute und schludrige Sprachschaffende. Wer aber seine Sprache nicht beherrscht, wer nur mit ihr herumzudilettieren und Phrasen zu dreschen versteht, ist kein Schriftsteller, so wie ein Handwerker, der mit dem Meißel nicht umgehen kann, auch nie den Meister machen kann. Und letzterer stellt sich dann auch nicht hin und seucht, er sei halt ein ‚verkanntes Genie‘, dessen ‚Stil‘ der Meister nicht begreife! Sondern er arbeitet an sich, weiter, und genauso hat auch der Dichter die Pflicht und Schuldigkeit, an der Sprache zu arbeiten, wenn sie ungenügend ist, wenn zuviel Luft dazwischen steht, wenn sie zuwenig ver-, gedichtet ist.“

aus: „In den Siebzigern steckengeblieben“ – Kritik an der „literarischen Alternative“, von: Ní Gudix, in: Luftruinen-Ausgabe 1, Sommer 2008

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„Ich arbeite. Und ich arbeite an der Sprache, an meiner Sprache, an der Sprache als Stemmeisen im Steinbruch der Kommunikation. Und hier sind wir bildlich bei einem alten Bekannten: bei Sisyphos.
ANTIKAPITALISMUS IST EINE SISYPHOSARBEIT! Antikapitalismus heißt nicht, sich nicht ums Geld kümmern müssen, weil die Stütze ja das Problem vom Staat ist und man sich selbst bekanntlich mit Höherem, mit der Beweihräucherung des eigenen verkannten Genies nämlich, befassen muß. Antikapitalismus heißt, sich auflehnen dagegen, daß uns Äußerlichkeiten und Institutionen beherrschen. Und das ist nur in aktiver Arbeit, in Arbeit am Inhalt, in mühevoller, hamletischer Klein- und Maulwurfsarbeit zu erreichen. (…)
Der Sinn des Schreibens ist eine absolute Präzisierung, jedenfalls für mich. Die Verdichtung der Realität in ihren jeweiligen Facetten in der Sprache. Darum geht es mir, daran arbeite ich, als Übersetzerin und Autorin. Ob man damit reich wird, ist mir egal. Aber leben kann man, ohne seine Seele billig ans Arbeitsamt verkaufen zu müssen.
Leute! Entdümpelt euch!“

aus: „In den Siebzigern steckengeblieben“ – Kritik an der „literarischen Alternative“, von: Ní Gudix, in: Luftruinen-Ausgabe 1, Sommer 2008