Bullenschweine, von: Andreas Weber

Die verdammten Bullenschweine haben gestern Frau Schratt erschossen. Sie stürmten ihre Wohnung und erwischten sie auf dem Sofa, als sie gerade Tennis guckte. Frau Schratt guckte immer Tennis. Das soll nichts heißen. Sie war einfach sehr an Tennis interessiert, also affin, auch wenn sie selber nicht aktiv spielte. Jedenfalls haben die Bullenschweine Frau Schratt auf ihrem Sofa erschossen. Durchlöchert haben sie die Frau Schratt und nachher war alles wieder ein Versehen. Aber den Befehl haben doch, und das wissen alle, die da ganz oben gegeben, weil die dachten, bei Frau Schratt wäre was faul und die da oben, die mögen es nicht, wenn etwas faul ist. Da handeln sie sofort. Den eigenen Stall sauber halten, nennen die das.

Aber ich hab in dem Haushalt von Frau Schratt gearbeitet und kann garantieren, dass dort nichts faul war. Jeden Morgen bin ich zu Frau Schratt gefahren und hab meinen Job gemacht und dann kommt man eines Morgens zu der Frau Schratt und die Bullenschweine haben alles abgesperrt und mir gesagt, dass sie die Wohnung von Frau Schratt gesäubert haben. Anzeichen auf Bandenkriminalität, haben sie gesagt. Verbindungen in den Osten und auch in den Nahen Osten. Überhaupt wäre sie ja auch aus dem Osten. Pommern oder Schlesien.

Es war wegen der ganzen Elektrogeräte, die bei Frau Schratt rum standen. Das war ihnen nicht geheuer. Elektrogeräte in zu großer Anzahl lassen an einer staatstreuen Dienerin zweifeln, sagten sie. Und dann fragten sie mich, ob ich nicht auch ein wenig gestutzt hätte bei dem ganzen Kram. Aber nein, ich hatte nicht gestutzt. Ich wusste ja, wo die Sachen herkommen. Die ganzen Fernseher, die Toaster und Staubsauger, die Mikrowellen und Waffeleisen, die Orangenpressen und Kaffeemaschinen. Das war doch nicht geklaut. Frau Schratt, hab ich ihnen gesagt, klaut doch nicht. Aber sie glaubten mir kein Wort. Hau jetzt hier mal lieber ab, bevor wir noch deine Personalien aufnehmen oder dich gleich mitnehmen, sagten sie, und da bin ich besser gefahren, da ich merkte, dass mit den Bullenschweinen nicht zu spaßen war.

Die genauen Einzelheiten erfuhr die Öffentlichkeit natürlich nicht. Am Nachmittag brachte Radio Antenne Münster eine kleine Nachricht über das Geschehene. Das war es dann. Der Polizeipräsident, der auch gleichzeitig Prinz Karneval 2010 ist, erklärte, einen osteuropäischen Bandenring mit Verbindungen zu islamischen Personen zerschlagen zu haben. Der Einsatz war ein voller Erfolg. Und der Polizeipräsident konnte diesen Erfolg gut gebrauchen, da er gerade in einem Edelbordell mit zwei osteuropäischen, drogenabhängigen Minderjährigen erwischt wurde. Die beiden Minderjährigen Janosch und Fjodor hatten gefälschte Schülerausweise und wurden abgeschoben. Der Präsident tat eine Spende für den Karnevalsverein, war aber auch danach noch leicht angeschlagen, was sein öffentliches Bild anging. Mit der durchlöcherten Frau Schratt hatte er wieder einen positiven Erfolg zu verbuchen. Diesen konnte er gut für seine Wahl in den Landtag gebrauchen, dachte er wohl. Das bringt Stimmen, so ein osteuropäischer Verbrecherring.

Jedenfalls sagte der Polizeipräsident: Die Hütte ist jetzt wieder sauber. Leider ist die Zielperson, Frau Schratt, bei dem Einsatz durchlöchert worden. Sie hatte Gegenwehr geleistet und kurzfristig sogar den Hauptkommissar Thiele als Geisel in ihrer Gewalt. Wir mussten schnell und effizient handeln, entschuldigte der Polizeipräsident das blutige Malheur.

Aber ich kannte Frau Schratt. Die konnte keiner Fliege was zu Leide tun, geschweige denn Geiseln nehmen. Außerdem war Oma Schratt 84, gehbehindert und leicht dement. Die war sicher noch nicht mal von ihrem Sofa runter, als man sie durchlöcherte. Und wenn, nur um den freundlichen Herren von der Polizei ein Teechen anzubieten. Oma Schratt bot immer gerne Teechen an.

Seit ein paar Monaten half ich ihr im Haushalt. Zivi. Mobile Pflege. Und jetzt so was.

Heute Nachmittag haben die Bullenschweine mich noch mal aufs Revier geholt. Wollten wissen, ob ich doch noch was wüsste.

Ich erklärte ihnen, dass Oma Schratt das ganze Elektrozeugs mit Preisrätseln aus ihren Frauenillustrierten gewonnen hatte. Die hatte doch nichts anderes mehr außer ihren Preisrätseln und Tennis, hab ich ihnen erklärt. „Die saß den ganzen Tag auf dem Sofa und hat Rätsel gelöst und Tennis geguckt und dann kommen sie auf einmal und durchlöchern sie auf ihrem Sofa.“ Das geht doch nicht, hab ich der Polizei gesagt.

Nun ja, passiert, hab ich gesagt. Sie sollten sich jetzt mal keinen Kopf machen. Dann bin ich zurück nach Hause. Jetzt überlege ich nur, wie ich das Ganze den Russen erklären soll. Das Versteck für die Ware war dahin. Oma Schratts Wohnung war wohl doch nicht das perfekte Versteck. Meine osteuropäischen Freunde werden mir da Ärger machen. Soviel ist mal klar.

Andreas Weber